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Comme Toujours

Sylvia Patterson spricht mit Sabina Sciubba über den Weg von ihrem bahnbrechenden 1998er Album Meet Me In London hin zu Toujours, ihrem Solo-Debüt, das im März 2014 bei Naim Edge Records erscheinen wird.

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Die gefeierte Femme Fatale Sabina Sciubba pflegt bereits seit langer Zeit Verbindungen zum Naim-Label. 1994, im Alter von 19 Jahren, wurde die atemberaubend feurige Sängerin von Naims Gitarrenvirtuose Antonio Forcione in Hamburg entdeckt. Ihr gemeinsames Werk Meet Me In London (1998) ist ein audiophiler Klassiker und das meistverkaufte Album in der Geschichte des Labels.

So begann Sciubbas herausragende Karriere. Bald darauf zog sie nach New York und wurde die Frontfrau der Brazilian Girls (die 2003 einen Vertrag mit dem amerikanischen Jazz-Label Verve abschlossen), einer Art avantgardistischer Scissor Sisters des Electro-Punk mit nur einem Girl (Sciubba) und ganz ohne Brasilianer.

Sciubba war von jeher (und ist noch immer) eine rätselhafte Musikerin, stimmlich wie optisch. Sie singt in vier Sprachen (Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch), bedeckt unablässig ihre Augen mit einer Frisur, die wie ein Kunstwerk anmutet, und trägt Outfits, die auch Lady Gaga tragen könnte (eine ihrer wehenden Roben sah aus wie ein Lüftungsrohr aus Krepp).

Heute, nach einem Umzug nach Paris im Jahr 2009, der nunmehr fast beendeten Bandpause und der Geburt ihrer beiden Kinder, kommt sie zurück zum Naim- Label, also nach Hause, und zwar mit ihrem Solodebüt Toujours, einer hinreißenden, sehr persönlichen, berauschenden Traumlandschaft von Musik, die man vielleicht als Pariser Velvet Underground und Nico mit Humor bezeichnen könnte.

„Ich habe nie sehr viel Velvet Underground gehört, aber es ist ein guter Soundtrack für das wahre Leben“, sagt sie in ihrem ausholenden, paneuropäischen Akzent, eine wahrhafte Weltbürgerin, in Rom geboren und aufgewachsen in München und Nizza. „Ich wollte etwas für ein eher kontemplatives Publikum machen. Bei den Brazilian Girls wünsch ich mir manchmal, dass die Leute auf meine Stimme hören, aber sie schreien und tanzen nur!“

Für die meisten Plattenfirmen kommt Sicherheit vor Geschmack. Sogar noch vor dem persönlichen Geschmack. Das hängt alles mit den Konzernstrukturen zusammen: Die Entscheidungsträger hören noch nicht mal Musik

Toujours, in Paris auf Gitarre komponiert und vom Produzenten der Brazilian Girls Frederick Rubens betreut, ist New Yorker New Wave auf Zechtour mit Serge Gainsbourg. Es ist multilingualer Art- Punk, eine Marlene Dietrich, die die Landstreicher in einer Kaschemme der Weimarer Republik hypnotisiert. Das Eröffnungsstück „Cinema“, ein ausgedehnter Seitenblick auf das zeitgenössische Leben, beklagt den kulturellen Verfall und vergleicht den Abstieg des Films mit einer „alten Hure, die ihre Reize verloren hat“.

Im Titelsong Toujours dagegen erklärt sie: „Wir können auch einfach glücklich sein.“ Das selbstfabrizierte, halbanimierte Video, eine Hommage an den Surrealismus von Monty Python, zeigt Sciubba auf einem Esel, Ukulele spielend, von einem Stern bekränzt und bekleidet mit nichts weiter als einem albernen Lächeln.

Es ist nicht das, was wir von einer Femme Fatale erwarten, und teilweise ist es auch eine Ablehnung der aggressiv sexuellen, körperlich „vollkommenen“ Popsirenen von heute. „Ja, weil ich das alles lächerlich finde“, schnaubt sie. „Ich wollte kein Make-up und keine Photoshop-Bearbeitung. Na ja, meinen Bauch hab ich ein wenig kleiner gemacht, weil ich gerade entbunden hatte – verrate es niemandem! –, aber ich fand das so erfrischend: Das ist mir völlig egal, so sehe ich eben aus, ob es euch passt oder nicht.

“ Die Experimentierphase dauerte sieben Monate, „den Esel zum Laufen zu bringen dauerte drei Wochen“, merkt sie an. Dabei war die Grundidee eine Parodie der archetypischen Messias-Darstellung. Der Weg dahin führte über ein weit weniger theologisches Bild. „Ich habe mich selbst nackt auf einer französischen Kommode fotografiert“, lacht sie. „Die Fotos als solche sind lächerlich. Der Blick meines älteren Sohnes sagte: ‚Oh nein, jetzt dreht sie durch.‘“ Sciubba, 38, ist ein Freigeist alter Schule und schon ihr Leben langvon Musik besessen.

Als Kind wollte sie Michael Jackson heiraten, bevor sie in Richtung unkonventionellem Jazz, Billie Holiday und globalem Underground-Electropop driftete. „Meine Persönlichkeit ist so extrem, ich koste immer absolut alles aus, was ich mag, bis ich zuviel kriege“, stellt sie reichlich verheißungsvoll fest. Bis heute ist sie kompromisslos, zu idealistisch, bewahrt sich ihre Originalität im Angesicht einer traumatisierten, risikoaversen Musikindustrie. Ihr Grund, zum Naim-Label zurückzukehren: kreative Freiheit

„Für die meisten Plattenfirmen kommt Sicherheit vor Geschmack. Sogar noch vor dem persönlichen Geschmack“, klagt sie. „Das hängt alles mit den Konzernstrukturen zusammen: Die Entscheidungsträger hören noch nicht mal Musik, sie sehen nur Zahlen und haken jeden ab, der kein Geld bringt. Aber so ist es mit allem.“ Im grüblerischen, galgenhumorigen „Fields Of Snow“, einer Liebesgeschichte vor dem Hintergrund finanzieller Entbehrungen, befindet sie dramatisch: „Und jetzt haben wir kein Geld!“ In Frankreich, bemerkt sie, seien die Sparmaßnahmen der Regierung schmerzlich und die Steuern „Hardcore“, während eine Generation von Kreativen mit der Einstellung unserer Online-Welt zu kämpfen hat, die da lautet: „Gebt uns eure Kunst umsonst!“

„Es ist schrecklich“, verzweifelt sie. „In meinem Freundeskreis– und ich lebe in einer wohlhabenden Gegend – sind alle pleite. Und sie wollen es nicht zugeben! Ich bin zwar nicht am Verhungern, aber vor fünf oder acht Jahren hatte ich jedenfalls deutlich mehr Geld.“ Das Internet, fügt sie hinzu, sei zwar gut für künstlerische Autonomie, aber völlig nutzlos für das wahre Leben. „Wegen der Art, wie es unser tägliches Leben beeinflusst, möchte ich das gesamte System Internet einfach hochjagen“, verkündet sie und wird zusehends radikaler. „Alle sind ständig am Handy und am Rechner, ich finde es absolut grauenvoll. Die Menschen treffen einander nicht mehr, alles findet im blöden Facebook statt.“

Der Grund, so ihre Hypothese, ist ein Ur-Problem, das niemand vorhersehen konnte: Unser Gehirn ist so konstruiert, dass es sofort auf helles Licht reagiert. „Die menschliche Reaktion auf Bewegung und Licht isthinzusehen“, bemerkt sie. „Das Internet ist genau das: Man kann unmöglich nicht hinschauen, es ist zu verlockend. Es wurde so erdacht, nicht von bösen Menschen, sondern von Leuten, die es wirklich für toll halten, aber trotzdem sollten wir miteinander sprechen, zusammen Musik machen und Instrumente lernen. Es ist unmöglich, meine Kinder von YouTube fernzuhalten. Ich habe schon über Terrorismus nachgedacht!“

2014 indessen, bevor die Brazilian Girls zurückkehren, wird Sabina gemeinsam mit einer Band Toujours in die großen europäischen Hauptstädte bringen. Dürfen wir uns einen Auftritt mit Esel erhoffen? „Mit Eseln auf Tour zu gehen ist leider sehr teuer“, lächelt sie. „Vielleicht projiziere ich einen auf einen meiner Bandkollegen!“

Das ist der rechte Geist. Willkommen daheim!

 

Toujours wird im März 2014 bei Naim Edge veröffentlicht - LINK TO DOWNLOAD ON SITE

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